Schlaf

Unsere wichtigsten Schlafforschungsthemen konzentrieren sich auf die Gehirnplastizität und Kognition während des Schlafes. Zum Thema Kognition im Schlafe siehe auch „Störungen des Bewusstseins“ (DOC)-Projekt.

Warum schlafen wir?

Durchschnittlich verbringen wir ein Drittel unseres Lebens im Schlaf. Schlaf und Wachsein folgen wie viele Verhaltensweisen und physiologische Prozesse (z.B. Körpertemperatur, Blutfluss und Hormonspiegel) dem zirkadianen 24 Stunden Rhythmus. Diese Rhythmen sind endogen, bestehen ohne Hinweise aus unserer Umgebung und erfordern einen internen „Schrittmacher“- nämlich den suprachiasmatischen Kern des vorderen Hypothalamus. Jedoch werden unter normalen Umständen zirkadiane Rhythmen zusätzlich von externen Timing-Signalen („Zeitgebern“) moduliert (z.B. durch das Sonnenlicht) und passen den Rhythmus an unsere Umgebung an. Mit dem Sonnenlicht ist die aktive Phase des zirkadianen Rhythmus bei den meisten Säugetieren verbunden, bei anderen ist Sonnenlicht jedoch mit der inaktiven Phase verbunden. Deshalb schlafen die meisten Menschen nachts wenn es dunkel ist, während nachtaktive Tiere (z.B. Ratten und Fledermäuse) meistens schlafen, wenn es hell ist. Alle Säugetiere, Vögel und Reptilien schlafen, wobei die Schlafdauer stark variiert. Zum Beispiel schlafen Fledermäuse und Opossums 18 Stunden am Tag, aber Pferde und Giraffen nur ca. 3 Stunden am Tag (Bear, Connors, & Paradiso, 2001). Die Funktionen des Schlafes sind bisher noch weitgehend unbekannt, obwohl unser Verständnis des generierenden und aufrechterhaltenden Schlafes rapide ansteigt. Es wird immer noch diskutiert, ob Schlaf für den ganzen Körper notwendig ist oder ob bestimmte Organe- unter anderem das Gehirn- das Hauptziel des Schlafprozesses ist. Zahlreiche Hypothesen sind für die Schlaffunktion überprüft worden, aber die wichtigsten Funktionen des Schlafes sind Energieeinsparung, Regeneration, Informationsverarbeitung (Lernen und Erinnerungsprozesse) und Entwicklung (Sprache, Motorik, Reifung des Gehirns).

Schlafregulation

Die wahrscheinlich wichtigste Theorie der Schlafregulation ist das zwei-Prozess-Modell von Borbély (1982). Nach diesem Modell ist der homöostatische Schlafdruck (S-Prozess) und der zirkadiane Prozess (C-Prozess) verantwortlich für die Schlafregulation. Während der zirkadiane Prozess auf eine „innere Uhr“ basiert die sicherstellt, dass wir jeden Tag in etwa zur gleichen Zeit schläfrig werden, ist der Schlafdruck von der Länge unserer Wachzeit abhängig. Eine Störung dieses Zusammenspiels führt zu Tagesmüdigkeit, Schlafstörungen und verminderter kognitiver Leistung während des Tages.

Polysomnographie (PSG)

Der Schlaf wird in der Regel operationalisiert und untersucht mittels Polysomnographie (PSG), einer Kombination aus Elektroenzephalographie (EEG), Elektrookulargraphie, Elektrokardiographie (EKG) und Elektromyographie (EMG). PSG Messungen wie Schlafarchitektur, Einschlaflatenz, Gesamtschlafzeit, Anzahl an Erregung und Erwachen und Schlafeffizienz werden routinemäßig berechnet und charakterisieren eine Nacht. Es gibt Störungen innerhalb dieser Messungen die objektiv Einschlaf- und Durchschlafprobleme überprüfen können. Darüber hinaus, ist es die einzige Möglichkeit physiologisch basierte Schlafstörungen von schlafbezogenen Fehlwahrnemungen zu unterscheiden, wie zB. Patienten die über Schlaflosigkeit klagen aber keine objektiven Ergebnisse in der Polysomnographie aufzeigen.

Schlafarchitektur

Wie die PSG Aufnahmen zeigen, ist der Schlaf in Phasen eingeteilt. Während einer normalen Nacht durchlaufen Menschen in der Regel Schlafstadien mit schnellen Augenbewegungen (REM) und ohne Augenbewegungen (NREM). Nach Rechtschaffen und Kales (1968) wurde der Schlaf klassifiziert in Wachheit, Bewegungszeit, vier NREM Schlafstadien und REM Schlaf. Im Jahr 2007 veröffentlichte die Amerikanische Akademie für Schlafmedizin (AASM) überarbeitete Leitlinien für die Bewertung des Schlafes und den damit verbundnen Ereignissen. Sie haben die Stufen 3 und 4 zur Stufe 3 zusammengefasst und die Bewegungszeit eliminiert, weshalb nur mehr 4 Stufen übrig bleiben: Drei NREM Phasen (N1, N2, N, mit zunehmendem Tiefschlaf) und eine REM Phase (R). Die Schlafstadien werden dabei durch PSG klassifiziert und sind in der Regel in 30-Sekunden-Epochen unterteilt.

Stufe 1 (N1) ist die Phase wo wir einschlafen. Es ist ein sehr leichter Schlaf, in welchem vor allem langsame Wellen auftreten (Theta-Wellen im Bereich zwischen 2 und 7 Hertz, keine K-Komplexe oder Schlafspindeln).
Stufe 2 (N2) zeichnet sich durch bestimmte EEG-Muster aus, den sogenannten Schlafspindeln und K-Komplexen. N2 ist vor allem ein leichter Schlaf mit einer geringen Menge von langsamen Wellen (Delta-Wellen von 0.5 bis 2 Hertz). In dieser Phase verbringen wir ca. 50% der Nacht.
Stufe 3 (N3) wird als Tiefschlaf bezeichnet und besteht hauptsächlich aus langsamen Wellen (Delta-Wellen).

REM Schlaf (Rapid-Eye-Movement) oder Traum oder paradoxer Schlaf ist charakterisiert durch ähnliche Gehirnaktivitäten wie im wachen Zustand, wobei die Muskelaktivität sehr gering ist sodass wir unsere Träume nicht ausführen können.

In der ersten Hälfte der Nacht dominiert der Tiefschlaf, während in der zweiten Nachthälfte ein größerer Anteil von REM Schlaf auftritt.

Schlafstörungen

Etwa 25% der Bevölkerung leiden unter Schlafstörungen, wobei Frauen häufer betroffen sind als Männer. Gemäß der internationalen Klassifikation von Schlafstörungen (Thorpy, 1990) sind die wichtigsten Kategorien bei Schlafstörungen:

  • Dyssomnien: Schwierigkeiten beim Ein- und Durchschlafen oder exzessive Schläfrigkeit.
  • Parasomnien: Störungen die während des Schlafes auftreten. Beispielsweise Schlafwandeln, Reden im Schlaf, Alpträume und Bruxismus.
  • Schlafstörungen im Zusammenhang mit psychischen, neurologischen oder anderen medizinischen Erkrankungen wie Migräne, Morbus Parkinson, chronische Schmerzen, Schilddrüsenerkrankungen, Depressionen und Angstzuständen.

Ursachen für Schlafstörungen können psychoactive reaktive Belastungsfaktoren (zB. Wut, Angst), psychosoziale Aspekte (zB. Probleme in der Familie, Verlust des Arbeitsplatzes), exogene Ereignisse (zB. Schlafumgebung, Tag-Nacht-Wechsel), klimatische und meteorologische Faktoren (zB. Wärme, Wetterumschwung) und organische Ursachen (zB. Drogenmissbrauch, Depression) sein.

Referenzen
Bear, M. F., Connors, B. W., & Paradiso, M. A. (2001). Neuroscience: Exploring the brain: Lippincott Williams & Wilkins.
Borbély, A. A. (1982). A two process model of sleep regulation. Human neurobiology, 1(3), 195-204.
Borbély, A. A., & Achermann, P. (2000). Homeostasis of human sleep and models of sleep regulation. In M. H. Kryger, T. Roth & W. C. Dement (Eds.), Principles and practice of sleep medicine (pp. 377–390). Philadelphia: WB Saunders Co.
Thorpy, M. J. (1990). The international classification of sleep disorders: diagnostic and coding manual: American sleep disorders association.

Aktuelle Projekte

Schlaf und grobmotorisches Lernen in der Schule bei Kindern und Erwachsenen
Die funktionale Rolle des Schlafes bei der Gedächtniskonsolidierung wurde bereits mehrfach gezeigt. Überzeugende Ergebnisse schlagen vor, dass der Schlaf vor allem notwendig ist für die Konsolidierung des prozedularen Gedächtnisses (Erlernen von Fähigkeiten wie z.B. Autofahren) und für die Kodierung von motorischen Prozessen. Bisher wurde die Wirkung des Schlafes auf Feinmotorik wie Spiegelverfolgung, Finger klopfen oder Verfolgung untersucht. Mit diesem Projekt wird die Beziehung zwischen Schlaf und Lernen grobmotorischer Aufgaben (Fahrrad fahren mit inverser Lenkung) zum ersten Mal untersucht. Es wird vermutet, dass Schlaf (verglichen mit Schlafentzug) zu einer Verbesserung der motorischen Leistungsfähigkeit führt.

Die Rolle der Erinnerungsstärke bei Prozessen der schlafassoziierten Gedächtniskonsolidierung
Während neuere Erkenntnisse zeigen, dass Prozesse der schlafassoziierten Gedächtniskonsolidierung Gedächtnisinhalte verstärken, ist es weitgehend unklar ob solche Konsolidierungen aufgrund eines der grundlegendsten Funktionen der Gedächtnisrepräsentation variiert, d.h. anfängliche Erinnerungsstärke. Das Ziel dieses Projektes ist es, diese empirische Lücke durch Untersuchung der Rolle von Erinnerungsstärke auf Gedächtniskonsolidation zu füllen. In einer Reihe von Experimenten wird die Erinnerungsstärke mit Hilfe von absichtlichen und zufälligen Kodierungsverfahren manipuliert. Die Auswirkungen der Gedächtniskonsolidierung wird untersucht anhand zeitabhängigem Vergessens und störungsanfälligen Erinnerungen. Darüber hinaus, wird Elektroenzephalographie verwendet werden, um zu untersuchen wie Kodierungsmanipulationen die Veränderungen der neuronalen Korrelate von anfänglicher Gedächtnisbildung und Veränderungen der Abrufprozesse nach dem Enkodieren sowie nach einer Schlaf-Wach-Periode verstärkt. Zudem wird Schlaf-EEG eingesetzt werden, um Schlafmechanismen zu untersuchen von denen vermutet wird, dass sie direkt bei der Reaktivierung und Rekonstruktion von neu gebildeten Erinnerungen involviert sind. Die Ergebnisse liefern einen ersten Überblick über die Rolle der Gedächtnisstärke für schlafassoziierte Gedächtniskonsolidation.

Referenzen
Bear, M. F., Connors, B. W., & Paradiso, M. A. (2001). Neuroscience: Exploring the brain: Lippincott Williams & Wilkins.
Borbély, A. A. (1982). A two process model of sleep regulation. Human neurobiology, 1(3), 195-204.
Borbély, A. A., & Achermann, P. (2000). Homeostasis of human sleep and models of sleep regulation. In M. H. Kryger, T. Roth & W. C. Dement (Eds.), Principles and practice of sleep medicine (pp. 377–390). Philadelphia: WB Saunders Co.
Thorpy, M. J. (1990). The international classification of sleep disorders: diagnostic and coding manual: American sleep disorders association.